Die Verwaltung will der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule in Hall eine komplett neue Raumaufteilung geben. Die orientiert sich am pädagogischen Konzept. Die Stadträte stimmen zu. Von Tobias Würth (Haller Tagblatt)
Früher gingen die Schüler über die Treppe hoch ins Klassenzimmer und in der Pause wieder runter in den Hof, um lautstark platt getretene Coladosen hin und her zu kicken. Dieses Prinzip der eigenen Schulzeit muss man ausblenden, wenn man die Neukonzeption der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule nachvollziehen will. Ein Fachplaner hat diese kürzlich im Bau- und Planungsausschuss und im Gemeinderat vorgestellt.
Ende der „Flurschule“
Lange dunkle Gänge, die rechts und links in Klassenzimmer abzweigten: Die Schule von einst wird heute etwas verächtlich „Flurschule“ genannt. Angesagt sind jetzt „teiloffene Lernlandschaften“ in denen die einstigen Lehrer zu „Lernbegleitern“ werden. Statt Klassenzimmer werden Instruktions-Bereiche angelegt. Dort treffen sich die Klassen, um beispielsweise die Ergebnisse der Gruppenarbeit zu präsentieren oder Input von der Lehrkraft zu erhalten. „Frontalunterricht“ gilt dabei als überholt. Fachplaner, Rektorin Andrea Fürle sowie Eltern und Schüler seien überzeugt. Die Besucherstühle sind fast alle von Lehrern belegt bei der Ratssitzung, die am Ende applaudieren.
Daniel Schönle vom Otto-Seydel-Institut für Schulentwicklung spricht von einem intensiven, aber wichtigen Planungsprozess. Schönle: „Die Beteiligten haben es sich nicht leicht gemacht.“ Viele Gespräche, ein zusätzlicher pädagogischer Tag und ein Ausflug an die als beispielhaft geltende Alemannenschule in Wutöschingen bei Waldshut gehörten zur Vorbereitung. Diese „Planungsphase null“ sei Grundlage für alle weiteren Schritte.
Es fehlte Geld: Statt in einem Rutsch, entschieden Verwaltung und Stadtrat einst, das Schulzentrum West Stück für Stück zu sanieren. Ein großer Teil im Gymnasialbereich ist bereits erneuert, zudem wurden die Fachräume saniert. Bauarbeiter nehmen derzeit zwei der drei Hagenbachhallen in Angriff. Nur der Bereich der Gemeinschaftsschule hat sich noch nicht verändert. Das könnte nun eine Chance sein, es so zu machen, wie es nach dem neuen Konzept erforderlich ist.
Die Wünsche könnten auf den bestehenden 8000 Quadratmetern erfüllt werden, die der Gemeinschaftsschule bereits jetzt im großen Gebäudekomplex zur Verfügung stehen. „Wir benötigen keinen Neubau“, schlussfolgert Schönle.
Außenhülle bleibt bestehen
„Die Schüler sind extrem heterogen“, sagt der Experte. Das Lernen in einem Klassenzimmer mit 25 oder noch mehr Schülern sei daher „nicht möglich“. Über „individuelles Coaching“, digitale Lernplattformen sowie kooperatives Lernen, würde der Schulalltag aufgebrochen.
Die Stützen, Außenwände und Dächer könnten so bleiben, wie sie sind. „Doch dazwischen sind wir flexibel“, sagt Schönle. Sieben „offene Klassenlandschaften“ für je sechs Klassen würden entstehen. Das ehemals große Lehrerzimmer werde zugunsten anderer Räume aufgelöst. So entstünden „Lernbüros“ oder auch „Marktplätze“ für Gruppenarbeit. Für Lehrer gebe es dann Arbeitsbereiche bei den Schülern und kleine Sozialräume zum Rückzug in Pausen.
„Ich kenne die Schule noch als Stichgang mit Klassenzimmern daran“, erinnert sich Baubürgermeister Peter Klink an seine eigene Schulzeit im Schulzentrum West. „Stehen denn wirklich alle dahinter?“, will er in Bezug auf das neue Konzept wissen.
Rektorin Andrea Fürle antwortet: „Heute kann ich guten Gewissens sagen: Ja, es wollen alle.“ Bis es dazu kam, musste´aber ein schwerer Prozess durchlaufen werden, in dem die „alte Denkweise“abgelegt wurde. Zum Zeichen der vollen Transparenz bietet sie Führungen durch die Schule an. „Wir denken Schule neu“, sagt sie. Aus Klassen werden „Cluster“, aus Klassenlehrern werden Teams in einer Klassenstufe.
Schulbaustratege Schönle fügt an: Die Haller Gemeinschaftsschule im Westen werde weiterhin über Wände verfügen, die Räume trennen. Er sagt: „Es gibt noch viel radikalere Lösungen, wo es gar keine einzelnen Räume mehr gibt.“
Grünen-Stadträtin Jutta Niemann lobt: „Es geht weg von einer Flurschule, hin zu Lernlandschaften, das ist möglichst kindgerecht.“ CDU-Sprecher Frank Walter, der Rektor der Breit-Eich-Grundschule ist, schließt sich dem Lob an: „Die Räumlichkeiten sollen zur Schule passen. Wir werden das unterstützen.“
„Als Vater einer Tochter, die die Gemeinschaftsschule durchlaufen hat, sage ich: Das kommt zu spät“, meint Michael Reber, FWV-Sprecher. Das Bauwerk hätte von Anfing an dem pädagogischen Konzept angepasst werden müssen.
Ruth Striebel (FDP) will wissen, ob auch die Eltern zustimmen. Fürle: „Die Elternvertreter sind regelmäßig miteinbezogen.“ Sie sagt schon zuvor: „Den Eltern und Schülern ist es erst einmal leichter gefallen als uns Lehrkräften, das neue Konzept zu befürworten.“ Auch SPD-Sprecherin Lena Baumann sieht vor allem Vorteile: „Ich finde das Konzept richtig toll. So etwas wünscht man sich für sein Kind.“
Einer hat Zweifel
Im Haller Stadtrat sitzt nur ein Mitglied, der den Planungen am Ende nicht zustimmt. FWV-Stadtrat Jürgen Gehrke hinterfragt die Kosten. Und er sagt: „Ich muss mich erst an das neue Konzept gewöhnen.“ Ob das mit der Teamarbeit der Schüler, bei der sie relativ frei sind, überhaupt klappt? Gehrke: „Da habe ich so meine Zweifel.“
Bis es so weit ist, werden aber noch einige Jahre vergehen. Im Sommer 2026 könnte der Entwurf stehen, Ende 2027 oder Anfang 2028 könnten die Umbauarbeiten starten, stellt Fachbereichsleiter Bauen und Planen, Holger Göttler, in Aussicht. Wo die Schüler in der Zwischenzeit unterkommen, ob gar Container nötig seien, müsse erst geklärt werden.
Quelle: Haller Tagblatt vom 07. Juni 2025

Schülerinnen und Schüler sitzen an Tischen der Alemannenschule Wutöschingen.
Foto: picture alliance/dpa