„Wir brauchen alle in Europa“

Vier mutige Haller Schülerinnen zeigen EU-Kommissar Nicolas Schmit das Projekt „Brückenbogen“, das ihnen in die Berufswelt helfen soll. Von Monika Everling

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist für viele Jugendliche eine große Hürde, insbesondere für solche, die durch Migration, Probleme in der Familie, soziale Ängste, Schwierigkeiten beim Lernen oder andere besondere Umstände gehandicapt sind. Diese darf man nicht alleine lassen, ist Nicolas Schmit überzeugt: „Wir dürfen niemanden aufgeben, alle müssen ihre Chance bekommen. Und wenn es bei der ersten nicht klappt, muss es eine zweite und eine dritte Chance geben. Wir brauchen alle Menschen in Europa!“

Schmit ist EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte. Der Luxemburger hat sich in der Haller Johannes-Brenz- Gemeinschaftsschule im Schulzentrum West das von der EU geförderte Awo-Projekt „Brückenbogen“ zeigen lassen, das genau an der Schnittstelle von Schule und Beruf Brücken schlagen will. Es bietet in Schwäbisch Hall Jugendlichen an vier Schulen Hilfen an, die von der Durchsicht von Bewerbungsunterlagen für Praktika bis zur psychologischen Betreuung reichen: an der Johannes-Brenz- Gemeinschaftsschule, an der Realschule und der Gemeinschaftsschule Schenkensee sowie an der Friedensbergschule.

Das Projekt will vermeiden, dass Jugendliche die Schule frustriert abbrechen, es will die Ausbildungsfähigkeit der Jugendlichen verbessern und ihr Selbstwertgefühl stärken. Dadurch können junge Menschen dauerhaft vor Armut und Ausgrenzung geschützt werden, ist die Projektleiterin Eva Beyerhaus von der Awo überzeugt: „Ich darf Sie mitnehmen in meine Freude!“

Die Haller Awo hat den EU-Kommissar anlässlich der Vorbereitung ihrer 100-Jahr-Feier eingeladen. Vier mutige Schülerinnen haben sich mächtig ins Zeug gelegt, um zu zeigen, was das Projekt für sie bedeutet. Sie haben ein Video gedreht, in dem sie Einblicke geben in ihre persönliche Situation, ihre Gründe nennen, weshalb sie am Projekt teilnehmen, und auch schon erste Erfolge nennen. „Ich bin sehr schüchtern“, sagt eine, und das erleben die Gäste dann auch gleich live: Als sie vor den Zuhörenden etwas sagen soll, verbirgt sie ihr Gesicht. Da kann psychologische Betreuung vor einem Vorstellungsgespräch viel helfen.

Eine andere Schülerin erklärt im Video: „Ich habe viele Probleme zu Hause, Stress und Druck. Frau Belle hört mir immer zu, ihr kann ich alles sagen, sie hat keine Vorurteile.“ Sonja Belle ist seit Jahresbeginn Sozialarbeiterin an der Schule. Anil Öztürk, Klassenlehrer einer 8. Klasse, bekräftigt: „Die Schüler lieben das Projekt.“ Nadja Grau, die stellvertretend für die erkrankte Schulleiterin Andrea Fürle spricht, sagt: „Es setzt da an, wo wir Lehrkräfte nicht weiterkommen.“

Der „Brückenbogen“ hat die Schülerinnen in Praktika gebracht, und eine hat dabei sogar ihren Traumberuf gefunden: „Ich will Architektin werden.“ Das ist ein hohes Ziel, für das sich Anstrengung lohnt. Für eine Schülerin ist aus dem Praktikum ein Ferienjob hervorgegangen. Das löst aber leider nicht alle Probleme: „Unsere Familie braucht dringend eine Wohnung“, sagt eine junge Frau. Das ist ihr größter Wunsch. Und die Projektverantwortlichen wünschen, dass die Finanzierung der Hilfe über den Projektzeitraum hinaus, der bis Ende 2024 läuft, gesichert bleibt. Schmit jedenfalls ist da aufgeschlossen. „Wir alle hatten als junge Menschen Probleme“, erinnert er sich.

Quelle: Haller Tagblatt

EU-Sozial-Kommissar Nicolas Schmit (links) lässt sich in der Schwäbisch Haller Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule von Lehrerinnen, Sozialpädagoginnen und vier mutigen Schülerinnen das Awo-Projekt „Brückenbogen“ erklären.#Foto: Ufuk Arslan