Der erste Abi-Jahrgang an der Haller Brenz-Gemeinschaftsschule feiert Abschluss. Das Motto: „Rabbits – Die Versuchskaninchen büchsen aus“.

Abitursfeiern fallen meist nach einem ähnlichen Muster aus. Zur Verteilung der Abschlusszeugnisse geben die älteren Leute den jüngeren Leuten weise Ratschläge, verziert mit Aphorismen und philosophischen Gleichnissen mit auf ihren weiteren Weg. Das bleibt auch beim Festakt in der Aula des Haller Schulzentrums West nicht aus. Aber vieles ist hier dennoch gründlich anders.

Das Motto der Feier „Rabits – Die Versuchskaninchen büchsen aus“ hat eine bewegte Vorgeschichte. Die Einrichtung der Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule war 2020 von hitzigen, politischen Grabenkämpfen begleitet und vom Schulträger gegen den Widerstand konservativer Stimmen aus Gemeinderat und Kreisrat durchgesetzt worden. Sogar Landrat Gerhard Bauer hatte damals seine Ablehnung deutlich gemacht.

Gesamtschnitt von 2,3

Die 23 jungen Frauen und Männer, die an diesem Nachmittag im Mittelpunkt stehen, sind nun der erste Jahrgang, der die Reifeprüfung an der Gemeinschaftsschule absolvieren konnte. Sie taten es mit Bravour und einem Gesamtnotendurchschnitt von 2,3. Mehrere Schülerinnen und Schüler dürfen sich bei ihrem persönlichen Ergebnis über eine Eins vor dem Komma freuen.

Das beste Abizeugnis hat Amelie Wurst mit einem Schnitt von 1,3 hingelegt. Sie nimmt außerdem die Fachpreise in Bildender Kunst, Biologie und Physik mit nach Hause. Den Preis der Gesellschaft Deutscher Chemiker geht an Marco Weller, der einen Abi-Schnitt von 1,4 geschafft hat.

Jenny Klenk wird mit dem Scheffelpreis für das Fach Deutsch ausgezeichnet. In ihrer Ansprache erzählt sie von der Powerpointprästentation, mit der Achim Knaack, einer der beiden Abteilungsleiter der seit 2021 neu eingerichteten Oberstufe, sie und ihre Mitschüler auf das kommende Pensum vorbereitete. „Das ist ein richtiges Brett“, habe er immer wieder gesagt. Die Warnung sei berechtigt gewesen. „Viermal pro Woche Mittagsschule und teilweise Tage mit Unterricht von 7.40 bis 17 Uhr. Da hatte man nichtmal mehr Zeit für die Mathe-Nachhilfe, die man vielleicht gebraucht hätte“, berichtet

Jenny und stellt fest: „Aber jetzt stehen wir trotzdem hier. Wir sind am Ziel unseres Marathons angekommen und können alle stolz sein.“

Auf dem Pfad ans Ziel

„Sie haben sich aufgemacht und sind diesen Weg gegangen, meist wahrscheinlich ein Trampelpfad. Aber Sie haben es gewagt und sind ans Ziel gekommen“, sagt Christoph Klenk, Leiter des städtischen Fachbereichs Frühkindliche Bildung, Schulen und Sport, in seiner Rede sichtlich bewegt. „Alleine damit haben Sie bewiesen, dass die Entscheidung für die Oberstufe die richtige war.“ Er sei sehr stolz darauf, bei der Entwicklung mitgewirkt zu haben.

Die Lehrkräfte seien sehr an ihrem Lernerfolg interessiert gewesen und immer freundlich, aufgeschlossen und den Lernenden zugewandt, verrät Matthias Imkampe, Prüfungsvorsitzender und Lehrer am Erasmus-Widmann Gymnasium, was ihm einige Abiturienten anvertraut haben und ergänzt lächelnd: „Da war ich fast ein bisschen neidisch.“

Dem inneren Kompass folgen

Die schönste Ansprache kommt von Abteilungsleiter Achim Stark. „Bildung kann einem im Gegensatz zu Schiffen niemand stehlen. Deshalb sind Investitionen in Bildung meiner

Meinung nach nie verschwendet“, betont der Physiklehrer im Outfit des Kultpiraten Jack Sparrow aus „Fluch der Karibik“. Er hat Sparrows legendären Kompass dabei, der immer auf das Ziel weist, das sein Besitzer am meisten begehrt. „Ich wünsche euch einen inneren Kompass, der eurem Herzen folgt und euch euren Weg zeigt“, sagt er dazu und kämpft unter frenetischem Jubel im Saal ganz offen mit den Tränen der Rührung.

Schulleiterin Andrea Fürle singt ein Loblied auf die Idee der Gemeinschaftsschule: „Eine Schule, in der sich jeder seine Ziele setzen, auf vielen Wegen in die eigene Zukunft durchstarten kann und in der Freude am lebenslangen Lernen geweckt wird.“ Es habe Zeiten gegeben, in denen sich Eltern dafür rechtfertigen mussten, wenn sie ihre Kinder auf eine solche Schule gehen ließen, blickt Fürle zurück und konstatiert strahlend: „Spätestens mit dem heutigen Tag können Sie stolz sagen: Es war ein guter Weg.“

Quelle: Text und Bilder Beatrice Schnelle für das Haller Tagblatt.